Persönliche Eindrücke vom Laienforum 2016 von Doris Libsig

Prag, Heiligkeit als Normalität

In diesem Jahr traf sich das Laienforum zum 20. Mal und wieder, wie damals zum ersten Mal in der goldenen Stadt. Der Bericht suchte und fand Heiligkeit in der Normalität

Die Anreise
Es war schon kribbelnd, was da nicht alles an Hinderungsgründen auftauchte, als versucht wurde eine Fahrgemeinschaft zusammen zu stellen! Der Spruch: „Wenn Engel reisen, so lacht der Himmel!“ schien zum Angriffspunkt zu werden. Zuletzt waren wir drei Damen, die pünktlich gegen 8.00 Uhr in Sissach starten konnten und somit siegreich aus diesem Kampf hervor gingen. Leider musste Lisbeth alleine fahren, doch sie kannte sich aus mit langen Strecken und hatte uns sicher nach Prag gebracht. Als wäre das natürlich und nichts Aussergewöhnliches. Unterwegs hatten wir uns einiges zu erzählen, also langweilig wurde es gewiss nicht. Von leisem, verheissungsvollem Abendrot übergossen lag die Stadt dann endlich vor uns, und dank dem Navi landeten wir ohne Umwege bei unserem Hotel.

Das Hotel
Müde aber dankbar machten wir uns auf den Weg, zu unseren Zimmern. Von aussen war das Hotel ein imposanter, grosser Bau. In seinem Innern eröffnete sich uns ein ebenso grosses und unentwirrbares Labyrinth. Da gab es Aufzüge, die nie beim Empfang ankamen. Die Zimmernummern waren wohl von irgendwo herabgeschneit; sie ergaben keinen Sinn und keine logische Folge in der Nummerierung – boten uns also auch keine Orientierung. In langen Gängen ohne Tageslicht wurde man leicht an unterirdische Horrorgeschichten erinnert. Plötzlich tauchte die Hinteransicht des Hotels auf, die so schön war, dass ich daran zweifelte, ob wir wirklich den richtigen Haupteingang erwischt hatten. Immer weiter ging es, mit sinkender Hoffnung auf Erfolg. Wir sahen schöne und weniger nette Innenhöfe, Seminarräume, die mit einzementierten Gartenbänken zum Dialog über 7m Distanz einluden, oder wie ein Möbellager für ausrangiertes Hotelinventar wirkten. Eine App zählte später 600 Schritte bis zum Zimmer! Irgendwann, den Tränen schon nahe, fand ich meine Zimmernummer, setzte mich aufs Bett und dachte nach: die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz:“ Wir sind in einem Studentenhotel. Von ihnen darf einfach erwartet werden, dass sie ohne Probleme erkennen, „wie der Hase läuft!“ Immerhin sind wir sehr günstig untergebracht. Für mich bedeutete es, dass ich mich auf meinen inneren Kompass und die weibliche Intuition verlassen musste! (Wer mich kennt, weiss, welches Risiko so eingegangen wird.) Aber gegen Ende unseres Aufenthaltes, konnte ich sogar auf den Lift verzichten — denn die Treppe, ermöglichte einen perfekten Auftritt in der Lobby…

Der erste Tag bot reichlich Zeit, um die Stadt auf eigene Faust kennen zu lernen. Das Wetter war nicht umwerfend schön und doch zeigte sich Prag souverän von seiner begehrenswerten Seite. Wir waren eine kleine Gruppe, die sich eine Schifffahrt auf der Moldau gönnte. Geruhsam betrachteten wir die historischen Bauten vom Wasser aus. Zwischen viel Grün erhoben sich Hügel und Häuser, wir fuhren unter Brücken hindurch und hörten den Verkehr von weitem. Ja, und dann kam der Abschnitt mit dem Smetanahaus. Einige Takte seiner Musik ertönten: „ Mir ging es durch Mark und Bein: die Harmonie der Melodie, und die Farbe des verhangenen Himmels der sich in der Moldau spiegelte, zusammen mit den augenfällig schön restaurierten Bauten, diese Harmonie ist einmalig.“ Zeitlose Eleganz, ein ganz grosses Gefühlsspektrum; für mich war die Welt in Ordnung.

Anders als bei uns, wo die Stadtkerne immer verkehrsfreier werden, regiert hier noch das Automobil. Das bringt für die Fussgänger längere Wartezeiten an den Ampeln und die Gelegenheit ungeniert die Menschen gegenüber zu studieren. So sah ich einen jungen Mann in orientalisch anmutenden, orangen Kleidern. Er hatte ein Velo, einer Mischung aus Minitramp und Zirkusvelo und am Lenker seines Gefährts hing ein kleines Transistorgerät, das pausenlos: Hare Krishnasongs vor sich hindüdelte. Sollte es möglich sein, dass diese Welle hier doch noch nicht überstanden ist? Später fragte ich Alena, ob das wirklich zum Stadtbild von Prag gehört? Zu meiner grossen Überraschung sagte sie: „Ja, doch doch, die gibt es hier noch. Und es ist nur gut so. Wenn die jemanden zu sich nehmen, so kommt es immer gut!

Gegen Abend begann das Laienforum mit einem feinen Nachtessen und wir sangen Taizélieder in einer nahen Kapelle. Es ist erstaunlich, wie diese einfachen Weisen den Menschen überall auf der Welt ein Stück der inneren Heimat schenken; jetzt war ich wirklich angekommen.

Der 2. Tag brachte das erste Referat. Daraus ist mir ein Satz hängengeblieben: „Heiligkeit ist: wenn du in deiner Mission stehst und in Verbindung mit dem Heiligen Geist!“

Quote: Wir können Heilige des Alltags werden für die Leute um uns herum!

Später machten wir eine Stadtführung mit Lucie. Unendlich viele Eindrücke prasselten auf mich herein: vom guten Wetter über den herrlich süssen Duft der Schillerlocken, bis hin zum berühmten Pragerfenstersturz. So vieles wollte gesehen und erlaufen sein. Es gab viele Touris und ein grosses Sprachengewirr; Lucies kleine Stimme ging beinahe unter darin. Ich war sehr müde, als wir die Andacht der Deutschen genossen. Für mich bliebt die Lesung von Antonie: „Halbvoll- Halbleer“ unvergessen, denn sie öffnete mitten in dieser umtriebigen Stadt die Türe zu einer Herzenskammer, die ich lieber versiegelt gelassen hätte: meine Familie ist am zerbröseln- meine Mission ist gescheitert. „Es gibt Leiden, das durch überhöhte Erwartungen entsteht…

Mit letzter Kraft kehre ich ins Hotel zurück. Auch an diesem Tag wurde ein guter Gedanke gesucht vor dem Einschlafen und der glicht dennoch einem Halleluja: heute bin ich mehr als 10`000 Schritte gegangen.

Vom 3. Tag blieb mir die Abendandacht der Tschechen in der schönen alten Rotonde, der Hl. Maria-Magdalena Kapelle in starker Erinnerung. Wir standen dicht bei dicht im hohen Kuppelbau. Draussen verabschiedete sich das Licht des Tages. Die Lieder klangen beeindruckend und gewaltig. Kaskaden von sprühenden Tonfolgen schienen uns von allen Seiten zu umgeben. Die einzelnen Stimmen klangen voll und wie himmlisch ausgewogen. Ich musste die Augen schliessen und spürte die Kraft des Ortes, der Musik und der heiligen Worte selten wohlwollend in mir. Wir erhielten Kerzen und dann wurde das Licht ausgelöscht, man fasste sich an den Händen- näher kann eine Verbindung wohl kaum gefeiert werden. In diesem Moment gab es keine Sprach- oder sonstigen Grenzen mehr. Stilles, der hektischen Welt unverständliches Verstehen umfing uns; standen wir wirklich noch auf dem Boden?

Der 4. Tag, Samstag der 13.8.
Sodeli, heute geht’s auf die Burg Karlstein. Leider vertrat ich mir beim Aufstieg das Knie und musste die Besichtigung auslassen. Immerhin war ich abends ausgeruht und aufgelegt zu… einem Ausflug in einen ehemaligen Jugendtreff aus kommunistischen Zeit, den Uwe gefunden hatte. Natürlich war ich nicht alleine, fast die ganze Laienforumsgesellschaft feierte den schönen Sommerabend dort. Ganz nebenbei wurde erwähnt, dass letztes Jahr ein lustiges schweizerdeutsches Lied gesungen worden sei: ob die Schweizer das von den „Tannigen Hosen“ wieder singen möchten? Wohlan, meine Stimme war gut geölt, der Bauch zufrieden und so kam ein Teil meines Wesens zum Vorschein, das ich schon Tot geglaubt hatte: Ich sang. Wanderlieder, alte Gassenhauer und alles an Liedern, was sich irgendwie noch in meinem Kopf herumtrieb. Das anzüglichste Lied kannte ich übrigens vom ersten Christkatholiken, den ich in meiner Jugend kennen gelernt hatte. Leider war das letzte Bier das ich mir holen wollte wohl irgendwie schlecht, sodass ich später ziemlich schmutzig und etwas geschunden (aber glückselig) in den Sonntag schlief.

Am Sonntag feierten wir die erste Messe des neuen Bischofs von Tschechien. Zugegeben, es gab nicht viele Frauen vorne beim Altar, doch ich vermisste nicht wirklich etwas. Denn als PhDr. Pavel Benedikt Stransky die Hände hob um die Gemeinde zu segnen, musste ich überrascht aufschauen: spürbare Kraft ging von ihnen aus. Als wir alle einander an den Händen fassten, kam eine Ruhe und Festigkeit zu mir, die grosses Vertrauen in mir schaffte. Es fühlte sich an, als sei das Vertrauen, das ich durch die Krankheit verloren hatte, wieder geweckt worden! Das ist mehr als ich jemals erhofft hatte!

Nach dem schönen Apèro wurden Hände geschüttelt, der Abschied nahte und irgendwo blitze schon die Freude auf das nächste Laienforum in Wels (Österreich) auf.